30 Jahre Wiedervereinigung. Fashion Ost meets Fashion West.
Am 3. Oktober 2020 feiern wir den »Tag der deutschen Einheit«. Aus dem geteilten Deutschland wurde an diesem Tag im Jahr 1990 wieder ein Land. Vor mehr als 30 Jahren, am 9. November 1989, tanzten Menschen aus Ost und West auf der Berliner Mauer, umarmten sich und feierten die Öffnung der Grenzübergänge. Die spektakulären Bilder, welche das Ende der DDR symbolisierten, gingen durch die Welt. Der Weg für die Wiedervereinigung war frei.
Eine Stadt – zwei Welten: Wer begegnete sich da vor dem Brandenburger Tor? Wie hatten sich die unterschiedlichen Systeme BRD und DDR speziell auch auf die Mode ausgewirkt? Fashion-Trends bewegen sich ja immer am Puls der Zeit und spiegeln den aktuellen Spirit wider. Gab es einen Unterschied zwischen Ost- und West-Fashion?
Wer im Osten modisch sein wollte, musste improvisieren
Ich war überrascht, als ich bei meiner Recherche feststellte, dass die Trends in beiden Systemen durchweg sehr ähnlich waren – diese wurden in Paris gemacht und konnten im Westen spielend einfach nachgekauft werden. Anders sah es da im Osten aus. Da gab es nämlich ein Beschaffungsproblem. Wer also bei den heißesten Trends mitmachen wollte, brauchte vor allem eines: Improvisationstalent und eine Nähmaschine. Man nähte sich Klamotten, die man in Filmen gesehen hatte oder entwickelte Schnittmuster aus der beliebten Modezeitschrift SIBYLLE weiter – der »Vogue des Ostens« (1956 – 1994) mit einer Auflage von über 200.000 Exemplaren.
Zwar waren der Lederersatz Lederol, »Präsent 20« und Dederon, Wolpryla und Grisuten Versuche der Textilindustrie, mit neuen günstigen Kunstfasern mehr Vielfalt und Qualität in den Handel zu bringen. Auch erfand die DDR mit »Wisent« und «Boxer« eigene Jeansmarken. Diese waren aber nicht beliebt. Die Schnitte saßen schlecht, die Stoffe waren steif und der typische Auswascheffekt wollte sich einfach nicht einstellen. En vogue waren immer nur die Marken des Westens und diejenigen, welche Pakete aus der BRD bekamen, schätzten sich glücklich.
Offiziell zuständig für Trends war das Staatliche Fashioninstitut der DDR. Die entwickelten Kollektionen wurden dann in den volkseigenen Betrieben produziert – eintönig und nicht besonders nachgefragt. Zwar gab es für die besser Betuchten seit 1970 die Boutique-Marke »Exquisit« mit luxuriösen Looks, diese waren aber für die meisten unerschwinglich und deswegen eine Ausnahme. Kurz: Im modischen Wettstreit mit dem Klassenfeind scheiterte der Arbeiter-und-Bauernstaat an dem sich immer weiter zuspitzenden Mangel an so ziemlich allem. In den Schaufenstern sah man am Ende der DDR nur noch uninspirierte Ladenhüter.
Trendsetter: Westen
Fashion Ost versus Fashion West gab es nicht. Was im Westen hip war, liebten die Modebewussten auch im Osten. Schon in den 70ies trug man diesseits und jenseits der Mauer lange Haare und Jeans. Aber Qualität, Sitz der Looks und Beschaffung waren in der DDR oft ein Problem. Materialien waren einfach knapp. Deswegen wurden beispielsweise Maxikleider schnell als unnötig angesehen, man brauchte dafür ja mehr Stoff, an doppelten Nähten wurde gespart. Manch eine Designerin soll geweint haben, wenn sie gesehen hat, was aus ihrem Entwurf geworden war. Wer Mode liebte und nicht auf Westpakete hoffen konnte, musste selbst kreativ werden, Schnittbögen sammeln und seine Styles schneidern.
Trend 1: Jeans
Jeans liebte man auch in der DDR. Dort trugen sie Markennamen wie »Boxer«, »Wisent« oder »Shanty«. Niemand mochte sie, weil der Stoff steif war und der Sitz schlecht. Man sehnte sich nach den Labels des Westens. Aber »Wrangler« oder »Levis« waren nur schwer zu bekommen.
Trend 2: Chemiefasern
Kunstnamen wie Dederon, Lederol, Wolpryla, Grisuten oder Spezitex sollten die Chemiefasern aus den DDR Fabriken bekannt und beliebt machen. Mit den günstigen, pflegeleichten, synthetischen Materialien wollte man die Vielfalt der Fashion steigern. Fast jede Frau besaß ein Dederonkleid mit schlichtem Oberteil und angeschlossenem Faltenrock. Oder ein bedrucktes Minikleid.
Trend 3: Strick
Besonders populär und das nicht nur im Winter war Strickmode. Diese wurde in der der DDR seit 1973 von »Präsident 20« im neuen Rundstrickverfahren hergestellt.
Trend 4: 80ies
Die Jugendmode der 80er Jahre unterschied sich kaum von den Looks im Westen: Taillen-Jeans, Rollkragenpullis, schräge Tops, Kunstlederkleider, kurze Röcke und überdimensionierte Jeansjacken sowie Turnschuhe.
Trend 5: West-Looks
Hippe Jugendmode: 1989 kurz vor der Wende trug man superkurze Minis, bauchfreie Tops, pinkfarbene Leggings, Pumps und Pfennigabsätze – im Osten wie im Westen.
Mode war in der ehemaligen DDR ein großes Thema und jeder, der mit den Trends Schritt halten wollte, musst selbst kreativ werden. Wie findet ihr den Ost-Chic?
Ein Kommentar
Hi, ein wirklich schöner Beitrag.
Als ein Kind des Ostens empfinde ich die damalige Mode und Lifestyle auch heute noch teilweise ansprechend. Auch heute werden ja gerne wieder kurze Minis und bauchfreie Tops getragen.